05.01.2019

Legal, illegal - ganz egal?

Beim zweiten Rawetzer Stadtgespräche drehte sich alles um das Thema "Der schnelle Weg in die Sucht".

Die Gesprächsreihe, die sich mit Inhalten rund um die Stadt Marktredwitz aber auch mit allgemeinen gesellschaftlichen Themen auseinandersetzt, wird seit einem Jahr von der Jungen Union betreut. Das Thema “Sucht” wurde gewählt, so der JU-Vorsitzende Florian Fischer, da es ein so wichtiges Thema sei, auf das noch mehr aufmerksam gemacht werden müsse. Der Kreisvorsitzende der Jungen Union Frank-Robert Kilian schlägt in die gleiche Kerbe: “Süchtig ist nicht nur der Drogenabhängige - es gibt so viele kleine Unterarten der Sucht, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen.”

Beim Rawetzer Stadtgespräch unter dem Motto “Der schnelle Weg in die Sucht” berichteten der ehemals süchtige Walter und der Drogenpräventionsbeauftragte der Polizei Oberfranken Jochen Bergmann von ihren Erfahrungen mit den Themen Sucht und Drogen.
Walter schilderte von seinem bewegten Leben, in dem er schon früh mit Alkohol in Kontakt gekommen ist. In seiner fränkischen Heimatgemeinde sei es ganz normal gewesen, dass zur Kirchweih auch Unter-Sechzehnjährige Bier bekommen hätten. Noch vor seinem Abitur begann er zudem zu rauchen und zu Haschisch zu konsumieren. Walter berichtete von zahlreichen Ausflügen, die er oder Freunde unternahmen, um an Drogen zu kommen. Schon zu Beginn des Studiums begann er Codein-Tabletten zu nehmen, zu keinem Zeitpunkt hatte er aber das Gefühl süchtig zu sein, berichtete er. Die Lebens- und Leidensgeschichte von Walter bewegte die Zuhörer sichtbar, besonders, als er in seinem Leben gedanklich weiter fortschritt und sich an den Tablettenmissbrauch an seinem Studienort in Alkoholeskapaden in den Semesterferien, die er Zuhause verbrachte, erinnerte. Walter erklärte, man selbst sei “immer überzeugt aufhören zu können und nie süchtig zu sein”. Es sich selbst und einzugestehen sei schwer, viele merkten es erst zu spät; und selbst die Einsicht garantiere noch keine erfolgreiche Therapie. Wer einmal süchtig sei, sei für immer süchtig, so Walter. Nur wenn man selbst gegen den kleinen Teufel im eigenen Kopf arbeite, könne man auf Dauer die Finger von Drogen lassen.
Walter schilderte den Besuchern auch, wie er mehrfach versuchte – teils aus eigener Kraft, teils mit professioneller Betreuung – von den Drogen weg zu kommen, aber jedes Mal aufs neue rückfällig wurde, was sich in insgesamt 22 Entzügen sowie einigen Therapien widerspiegelt. Seit mittlerweile über neun Jahren ist er nun “clean”, zum Teil wohl auch dank der regelmäßigen Vorträge in Schulen oder Organisationen, die nicht nur die Zuhörer über die oft leicht in Kauf genommene und meist unterschätzte Gefahr der Sucht in aufklären sollen, sondern auch ihm selbst die schrecklichen Erlebnisse in den vielen Jahre unter Drogeneinfluss immer wieder erneut ins Gedächtnis rufen - besonders, wenn der kleine Teufel in seinem Kopf doch wieder zum “harmlosen einmaligen” Konsum aufruft.

Nach dem bewegenden Vortrag von Walter berichtete der Drogenpräventionsbeauftragte Jochen Bergmann von Drogen und Sucht aus Sicht der Polizei. Dabei ging Herr Bergmann zunächst auf die Konsequenzen der Sucht ein. So stellte er die Einnahmen aus den Verkäufen von legalen Drogen wie Alkohol oder Nikotin mit den dadurch verursachten Kosten gegenüber, wobei letztere erheblich überwögen.
Darüber hinaus berichtete Jochen Bergmann über die tägliche Arbeit der Polizisten mit Drogenabhängigen und die gefährliche Schmuggelei von Drogen. So würde die Ware häufig in Plastik verpackt in allen erdenklichen Körperöffnungen versteckt. Dies sei nicht nur – selbstverständlich – illegal, sondern auch lebensgefährlich für die Schmuggler. Falls sich das Päckchen öffnet, seien die Überlebenschancen oftmals sehr gering. Auch erzählte er den Zuhörern von den vielen unschönen Begegnungen, die er im Dienst mit alkoholisierten Personen hatte.
Auch auf die Wirkung von Drogen auf Körper und Psyche ging Jochen Bergmann ein. Dabei zeigte er anhand von Studien auf, dass alle Drogen sich negativ auf die Gesundheit auswirken und zu einer Verminderung des IQ beitrügen. Eine Besucherin stellte dabei die Frage, weshalb trotz der offensichtlichen Gefahren so viele intelligente Menschen Drogen nehmen. Dies könne nicht pauschalisiert werden, so der Präventionsbeauftragte, doch auch hier lasse sich eine deutliche Verminderung der geistigen Fähigkeiten feststellen - diese sei aber nicht unmittelbar sichtbar, erst nach langfristigem Drogenkonsum käme es zu spürbaren Einschränkungen.
Ein anderer Zuhörer wollte wissen, was Walter von der Diskussion über eine mögliche Legalisierung von Cannabis hielte. Walter sagte, er sehe dies mit großer Sorge. Sowohl durch sein eigenes Schicksal als auch den Aufbau von Selbsthilfegruppen an verschiedenen Orten habe er die Ansicht gewonnen, dass die Gefahr süchtig zu werden immer mehr steige, je mehr Drogen frei und legal verkauft würden. Walter stellte klar, dass er zudem für eine Einschränkung, am besten sogar für ein Verbot von Alkohol- und Tabakwerbung sei. Beispielsweise durch Sponsoring von Sportereignissen würde die gesellschaftliche Akzeptanz von Alkoholika und damit auch deren Konsum gefördert, zeigte sich Walter überzeugt. Auch der Drogenpräventionsbeauftrage stimmte dieser Einschätzung zu, hier sehen beide Handlungsbedarf, um schon von vornherein der Sucht den Kampf an zu sagen.
Abschließend appellierten beide an die Anwesenden und insbesondere an die Jungen und politisch Engagierten, sich für den Kampf gegen die Abhängigkeit einzusetzen. Sowohl in der Drogen- und Suchtprävention, als auch bei der Betreuung von Suchtkranken bestehe ein Bedarf an mehr Mitarbeitern. Diese Forderung solle auch in die große Politik transportiert werden, denn nur mit persönlichem Kontakt vor Ort könnte bereits Abhängigen geholfen und könnten potentiell Betroffene vor dem Abrutschen in die Sucht geschützt werden.

Der JU-Ortsvorsitzende Florian Fischer bedankte sich abschließend bei den beiden Referenten für die Vorträge und bei den Zuhörern für die rege Diskussion, die anschließend noch in kleinen Gruppen fortgeführt wurde. “Menschen vor der Sucht zu schützen muss mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Gerade in der Weihnachtszeit, in der man sich meist nur mit schönen Dingen beschäftigt, muss hier ein Zeichen gesetzt werden. Die bewegende Geschichte von Walter führt vor Augen, dass es jeden treffen kann und man nicht die Augen vor diesem gefährlichen Thema verschließen darf”, schloss Florian Fischer.